Swiss Winforce-League: Kriessern – Einsiedeln 19:20

Es ist fast wie in einem Märchen

Die Einsiedler Ringe schaffen den grossen Coup und zwingen Meister Kriessern mit 20:19 in die Knie. Die grösste Sensation für die Ringerriege Einsiedeln wurde Tatsache.

W.S. Nach der unerwarteten Kanterniederlage gegen Schattdorf kam man nicht um die Frage herum, ob es die Einsiedler Ringer noch können. Diesen stillen Gedanken wagten viele nach dem blutleeren Auftritt nicht laut auszusprechen. Nach dieser Demontage wünschten sich viele, das Rad möglichst schnell zurückzudrehen. Doch sollte, hätte, könne, würde – das alles gibt es in der Politik, aber nicht im Sport. Da gibt’s den Lohn nur durch harte Arbeit.  

Fast die gleichen Ringer. Die gleichen Regeln. Die gleiche Sportart. Aber ganz ein anderer Match als gegen Schattdorf. Es war wildes «Ringen» unter Missachtung der gängischen taktischen Regeln dieses Sports. Stürmisch und unbeschwert wie auf dem Pausenplatz kämpften die Einsiedler. Sie zeigten einen Steigerungslauf, den kaum jemand für möglich gehalten hätte. Sie kamen so im 24. Auswärtsmatch gegen Kriessern zu ihrem ihren ersten Sieg überhaupt. Volle 36 Jahre mussten sie im kleinen Ringerdorf im sankt-gallischen Rheintal immer den Kürzeren ziehen.

Ringen ist der «heilige Sport» in Kriessern. Das Heimteam war weder überheblich, noch hatte es Einsiedeln unterschätzt. Es ist ganz einfach so, dass Einsiedeln eine grosse Leistung gezeigt hat. Dabei wurden alle bisherigen Regeln unter Mithilfe von Glücksgöttin Fortuna ausgehebelt. Es war ein Drama, eine Mischung aus wagnerianischer Oper, Hitchcock und Ballett.

Neyer Brothers

Den ersten Kampf des Abends bestritt Kay Neyer im Leichtgewicht gegen Nico Lüchinger. Der Gastgeber fand kein geeignetes Mittel gegen den clever ringenden Neyer und unterlag deutlich mit 2:10. In der 130-Klasse hatte es sein ältester Bruder Sven Neyer mit einem gleichwertigen Gegner zu tun. Mit einem deutlichen 12:1-Sieg steuerte er gegen den allerdings köperlich deutlich unterlegenen Damian Dietsche  einen weiteren Dreier der Mannschaftswertung bei. Damit lag Einsiedeln entgegen den Erwartungen mit 6:2 vorne. Bis 61 Kilogramm hatte der kampferprobte Christoph Wittenwiler Youngster Lars Neyer vorerst fest im Griff und ging mit 8:3 in Führung. Doch eine kurze Unaufmerksamkeit vermochte Neyer blitzschnell zu kontern und kam zu einem Überraschungssieg.  Robert Valentin vermochte gegen den einstigen  Internationalen Philipp Hutter gut mitzuhalten und musste sich lediglich mit 12:6  geschlagen geben.

Michel Schönbächler rang im freien Stil gegen das gegenwärtig wohl grösste Schweizer Ringertalent Dominik Laritz. Dabei ging der Rheintaler mit seinen blitzartig vorgetragenen Angriffen bald einmal in Führung und liess sich die Butter nicht mehr vom Brot nehmen. Schönbächler holte bei der 18:6-Niederlage einen wertvollen Mannschaftspunkt.

Einsiedeln lag zur Pause mit 12:8 völlig erwartet vorne. Dennoch schien der Sieg für Kriessern auf dem Tablett bereit zu liegen. Aufgrund der Mannschaftsaufstellung wiesen sie gegenüber Einsiedeln für die zweite Hälfte ein deutliches Chancenplus auf. «Jetzt müssen wir noch einen draufsetzen», sagte Einsiedelns sichtlich zufriedener Trainer Urs Bürgler.

Schönbächlers Effort

Den Einsiedlern, die von vielen mitgereisten Fans lautstark unterstützt wurden, blieb nichts anderes übrig, als alles auf eine Karte zu setzen. Matthias Käser kämpfte gegen Fabio Dietsche verbissen, konnte aber die 11:1-Niederlage nicht verhindern. Mit dem Punktegewinn für die Mannschaftswertung hat er aber seinen Soll erreicht.  Die Devise im nächsten Duell hiess: Lukas Schönbächler soll gegen den technisch versierten Ungaren Gabor Molnar zu Beginn möglichst wenig Punkte abgeben. Diese Taktik ging vorerst nicht ganz auf. Er lag bald einmal mit 4:0 zurück und alles schien seinen gewohnten Lauf zu nehmen. Doch gelang es Schönbächler einen Bodenroller abzufangen und seinen Kontrahenten auf die Schultern zu drehen.   Der Einsiedler Anhang spürte, dass eine Überraschung in der Luft lag und trieb seine Ringer wie der Fuhrmann sein Pferd mit der Peitsche nach vorne.  In einem begeisternden Duell, das die Zuschauer beidseits von den Sitzen riss, hob  Andreas Burkard die Einsiedler Ringerwelt in den siebten Himmel,  indem er Tobias Betschart dank eines starken Endspurtes mit 5:4 in extremis besiegte. Damit lag Einsiedeln mit 19:11 vorne und für den Sieg brauchte es aus den letzten beiden Kämpfen noch einen Zähler.  Interessant kündigte sich der nächste Kampf zwischen dem einstigen Weltklasseringer Adrian Mazan und dem jetzigen Internationalen Marc Dietsche an. In einem epischen Duell unterlag der taktisch klug agierende Mazan zwar mit 7:2, brachte aber damit  den Sieg frühzeitig in trockene Tücher.

Tim Zehnder liess im 74 kg griechisch-römisch seinen ganzen Frust vorerst an seinem Gegner David Hungerbühler aus, trat mutig auf, wurde aber vom erfahrenen Kontrahenten geschickt ausgekontert.  

Fakt am Ende war: Einsiedeln war etwas «giftiger» als Kriessern und holte zwei überraschende Schultersiege. Nach der Kanterniederlage gegen Schattdorf zeigte das Bürgler-Team Nerven und meldete sich zurück, dass sich nicht wenige der 400 Zuschauer die Augen rieben. Es war ein Triumpf auf eine aufwühlende Art und Weise in einem Ringer-Drama, das für alles entschädigt, was ein Chronist je am Mattenrand zu erdulden hatte. Man hat aufopfernde Leidenschaft, Härte, Technik,  Tempo und Spannung erlebt.  

«Die Ringer haben gegen das übermächtige Kriessern bis zuletzt an sich geglaubt und gefightet», freute sich Trainer Urs Bürgler.

Ja, fast die gleichen Ringer. Die gleichen Regeln. Die gleiche Sportart. Aber man weiss nicht, was der nächste Akt für Einsiedeln bringen wird.

 

Resultatübersicht:

57 kg:          Nico Lüchinger – Kay Neyer 1:3

61 kg:          Christoph Wittenwiler – Lars Neyer 0:4

65 kg:          Dominik Laritz – Michel Schönbächler 3:1

70 kg:          Gabor Molnar – Lukas Schönbächler 0:4

74 kg:          Marc Dietsche – Adrian Mazan 3:1

74 kg:          David Hungerbühler – Tim  Zehnder 0:4

80 kg:          Tobias Betschart – Andreas Burkard 1:2

86 kg:          Fabio Dietsche – Mathias Käser 3:1

97 kg:          Philipp Hutter – Robert Valentin 3:1

130 kg:        Damian Dietsche – Sven Neyer 1:3

 

Kriessern – Einsiedeln 19:20  

Schattdorf – Willisau 16:20

Hergiswil – Freiamt 8:30

Tabelle:

  1. Willisau 6 P., 2. Einsiedeln 4 P., 3. Kriessern 3 P., 4. Frieamt 3 P., 5. Schattdorf 2 P., 6. Hergiswil 0 P.

 

Jetzt gegen den Leader

Am nächsten Samstagabend kommt es für Einsiedeln völlig unerwartet zum Spitzenduell auswärts gegen Willisau. Die Luzerner Hinterländer sind mit drei Siegen optimal gestartet und stehen mit dem Punktemaximum an der Spitze. Obschon sie noch nie mit ihrer stärksten Formation angetreten sind, gaben sie deutlich den Ton an. Die Einsiedler geben sich kämpferisch und werden ihr Bestes geben. Mehr Einzelheiten sind in der Freitagsausgabe.

 

Werner Schönbächler