Ringerriege Einsiedeln krönt turbulente Saison mit der Bronzemedaille

Die beiden Teams lieferten sich ein hochemotionales und spannendes Duell. Einsiedeln gewann nach viel Dramatik mit 17:22 und damit mit einem Punkt Vorsprung die Bronzemedaille.

W.S. Bereits eine Stunde vor Beginn war die Sporthalle Bachmatten in Muri gut besetzt. Am Ende waren es 700 Zuschauende. Trommeln, Pauken und Hupen waren platziert, die Gastgeber sorgten dazu noch für ein buntes Fahnenmeer. Der Rahmen für einen spannenden Match und die Verabschiedung von Pascal Strebel war gegeben.

Der Bronze-Rückkampf endete mit 17:22, weswegen es nach dem 15:19 vor einer Woche zu einer hauchdünnen Entscheidung kam. Einsiedeln hatte in der Addition beider Kampfabende einen Punkt mehr auf dem Konto und schaffte damit die grosse Sensation.

Trotz der ungünstigen Ausgangslage für den Rückkampf glaubte Einsiedeln fest an seine Chance, das Ding noch zu drehen. Das Team hatte bis zur letzten Sekunde dem favorisierten Freiamt Paroli geboten. Voller Leidenschaft alles gegeben und aus sich herausgeholt. Nach 34 Jahren reichte es zum Gewinn der Bronzemedaille.

Nein, eigentlich zweifelte kaum jemand am siegreichen Auftreten der Ringerstaffel Freiamt. Doch ersten kommt es anders, und zweitens als man denkt.

Ausgezeichneter Start

Nach dem engen Duell im Hinkampf traf Alexander Golin erneut auf River Perlungher. Diesmal hatte er seinen Kontrahenten besser im Griff als im Hinkampf, drängte ihn sofort in die Defensive und siegte nach einer klaren Pausenführung mit 12:1. Im Schwergewicht zeigte Greco-Ringer Sven Neyer auch im freien Stil seine Fähigkeiten. Er lieferte dem Russen Magomed Ayskhanov über weite Strecken eine ausgeglichene Partie. Am Ende musste er sich mit 9:2 knapp geschlagen geben. In einem spektakulären Kampf standen sich Flurin Meier und Lars Neyer gegenüber. Zur Pause lag Neyer nach einem herrlichen Brienzer rückwärts mit 4:0 vorne. Mit weiteren Angriffen gelang es ihm den Vorsprung auf den Endstand von7:2 auszubauen. Gespannt war das Publikum auf den Fight zwischen Damian von Euw und Roman

Zurfluh. Der passiv eingestellte Zurfluh vermochte in der ersten Runde noch dagegenzuhalten. Doch mit einem Feuerwerk von herrlichen Würfen bearbeitete von Euw danach seinen Kontrahenten bis zur technisch überhöhten Kapitulation (17:1). Jan Neyer und Saya Brunner neutralisierten sich anfangs noch gegenseitig, was der Pausenstand von 1:1 widerspiegelt. Erst die vom Kampfrichter verhängten Aktivitätsverwarnungen brachten Belebung in das Geschehen. Der aktivere Brunner punktete fleissig bis die technische Überlegenheit feststand (19:4). Damit lag Einsiedeln bei Halbzeit mit 10:12 vorne. Es lief fast alles genau nach dem Regieplan ab.

Dramatik pur

Andreas Burkard überliess nichts dem Zufall, zog seine Taktik durch und blieb nach einer starken Leistung gegen Kimi Käppeli mit 6:0 im Soll. Wesal Akbari und Nino Leutert begeisterten die Zuschauer mit einem furiosen Start. Schon nach wenigen Sekunden hatten beide Ringer zwei Punkte auf ihrem Konto. Doch dann kam Leutert immer besser in Fahrt und konnte seinen verblüfften Kontrahenten schultern. Damit kam Freiamt bis auf einen Punkt heran. In den nächsten drei Duellen war Freiamt zumindest auf dem Papier klar im Vorteil. Doch die Einsiedler fighteten mit allen Kräften und wurden vom eigenen Anhang lautstark unterstützt. Nachdem Yves Neyer vor einer Woche Marc Weber noch einen Überlegenheitssieg zugestehen musste, agierte er diesmal taktisch klug und konnte die Niederlage mit 11:2 in Grenzen halten. Vor den letzten zwei Duellen schien die Rechnung für Freiamt beim Stande von 17:16 aufzugehen. Die Einsiedler mussten also um jeden Preis gewinnen und dem grossen Druck standhalten. In einem hochstehenden Duell konnte Jan Faller mit dem favorisierten Pascal Strebel, der seinen letzten Kampf seiner erfolgreichen Laufbahn absolvierte, mithalten. Der Olympianike führte bei Halbzeit mit 1:0. Doch dann sorgte Faller beim 4:4 für den Lucky Punch. Es gelang ihm einen Ausheber abzufangen und am Boden zum Resultat zu vervollständigen. Damit musste die letzte Partie zwischen Randy Vock und Kay Neyer über den Gesamtsieg entscheiden. In einem aufwühlenden Kampf, der auf Messers Schneide stand, lag Neyer am Schluss mit 3:0 vorne. Er zeigte solides Ringer-Handwerk und gab keinen Punkt ab. In den letzten Sekunden des Freistilkampfes konnte er eine gefährliche Situation gerade noch abwenden Damit. hatte Einsiedeln die Bronzemedaille in der Tasche. Begreiflich, dass Einsiedeln die unverhoffte Bronzemedaille enthusiastisch feierte.

Die Einsiedler Ringer standen damit nach 34 Jahren erstmals wieder auf dem Podest. Vor drei Jahren wurden sie in der wegen Corona verkürzten Saison ebenfalls Dritte. «Wir haben von der ersten Sekunde an uns geglaubt und trotz des Rückstandes den Sieg an unsere Fahne geheftet», bilanzierte Einsiedelns überglücklicher Trainer Urs Bürgler. «Schön, dass es so spät geklappt hat. Wir haben den Hinkampf genau analysiert und daraus die nötigen Schlüsse gezogen. Wir sind mit einer guten Moral in diesen Bronzekampf gezogen. Die Ringer haben die Vorgaben entschlossen umgesetzt. Der gute Start war ein wichtiger Meilenstein für diesen Erfolg.»

Durch die völlig unerwartete und brutale Niederlage von Siegesringer Pascal Strebel ist die Moral von Freiamt eingebrochen. Freiamts Trainer Michael Bucher rang nach der Niederlage nach Worten. «Ein schwarzes Loch, ich bin wortlos», stammelte er.

Sven Neyer, technischer Leiter der Einsiedler Ringer, strahlte ebenfalls: «Erstens ist uns die Mannschaftsaufstellung optimal gelungen. Zweitens zeigten die Ringer viel Herbzblut und haben das Optimum in ihren Kämpfen herausgeholt.»

Grosse Emotionen bei den Ringern und Zuschauern

Wer glaubt, Ringen sei eine Randsportart, die zwar Respekt, aber kaum Beachtung findet, wurde in Muri (einmal mehr) eines Besseren belehrt. Zwei Fernsehstationen, rund ein Dutzend schreibende Journalisten und 700 Zuschauer, darunter rund 150 aus dem Einsiedler Lager,

untermauerten nämlich genau das Gegenteil. Wie speziell die Atmosphäre war, belegt die Aussage eines Aargauer Journalisten, der den Einmarsch der beiden Ringerriegen mit den folgenden Worten kommentierte: «Wahnsinn, was in dieser Halle abgeht!» Ein Gewinner ist, wer Ohropax sein Eigen nennt. Als Kay Neyer für die Ringerriege Einsiedeln zuletzt gewinnt, gibt es kein Halten mehr. Das sorgt für Schreie aus den vielen Einsiedler Kehlen. Die meisten aus Freude. Aber manche auch nicht. Wer Freiamt im Herzen trägt, der brüllt aus Schmerz. Eine Niederlage als Topfavorit. Das alles spielte sich am Sonntagnachmittag ab.

Kriessern holte den Titel

Die Ringerstaffel Kriessern hat auch den zweiten Finalkampf gegen Willisau gewonnen. Die Rheintaler setzten sich auf souveräne Art im Luzerner Hinterland mit 21:14 durch und holte damit den 13. Titel in der Vereinsgeschichte. Nach dem 17:16-Heimsieg kam den Ostschweizern im Rückkampf der Stilartenwechsel zugute. Vor 1’700 Ringerfans hatten sie von

Beginn weg das Zepter fest in ihren Händen und führten zur Pause mit 4:15. Willisau konnte nicht mehr reagieren und gab immer wieder Punkte ab. Kriessern beendete die Qualifikation auf dem dritten Rang und konnte in den Playoffs im richtigen Moment zusetzen.

Die spannendsten und ausgeglichensten Playoffs seit vielen Jahren brachten grosse Überraschungen. Kriessern ist ein ebenso verdienter und auch würdiger Schweizer Meister. Nach einer durchzogenen Qualifikation ist Einsiedeln in den Playoffs über sich hinaus gewachsen und hat unerwartet die Bronzemedaille geholt.

Oberriet konnte sich in der Barrage gegen Weinfelden zweimal deutlich durchsetzen und bleibt damit in der NLA.

Resultatübersicht

57 kg: River Perlungher – Alexander Golin 1:3

61 kg: Flurin Meier – Lars Neyer 1:3

65 kg: Saya Brunner – Jan Neyer 4:1

70 kg: Nino Leutert – Wesal Akbari 4:0

75 kg: Randy Vock – Kay Neyer 0:2

75 kg: Pascal Strebel – Jan Faller 0:4

80 kg: Marc Weber – Yves Neyer 3:1

86 kg: Kimi Käppeli – Andreas Burkard 0:3

97 kg: Roman Zurfluh – Damian von Euw 1:4

130 kg: Magomed Ayskhanov – Sven Neyer 3:1

3./4. Platz

Freiamt – Einsiedeln 17:21 (Gesamt, 36:37)

1./2. Platz (Best-of-3):

Willisau – Kriessern 14:21 (2:0)

Barrage (Auf-Abstieg):

Weinfelden – Oberriet 6:33 (Gesamt, 21:57)

Werner Schönbächler