Einen äusserst dramatischen Kampf lieferten sich Kriessern und Einsiedeln. Am Ende hatte Kriessern die Nase knapp vorne. Dabei ging in der ersten Halbzeit nach wilder Wildwest-manier alles drüber und drunter. Erstmals dabei waren alle fünf Neyer Brothers.
W.S. Eine Erkenntnis, die keine Neuigkeit ist, wird mit dem Begriff Binsenwahrheit definiert. Eine solche Binsenwahrheit wäre zum Beispiel der Hinweis darauf, dass es gute und schlechte Krimis gibt. Eine solche Feststellung – geschenkt. Dass Kriessern und Einsiedeln dem wegen Corona zahlenmässig stark eingeschränktem Publikum zum Abschluss der Vorrunde einen höchst spannenden, weil dramatischen und phasenweise durch und durch unterhaltsamen Krimi präsentierten, ist alles andere eine Binsenwahrheit. Es war schlichtweg ein spannungsgeladenen Kampfabend mit dem besseren Ende für Kriessern.
Starker Beginn
Es begann schlecht für Einsiedeln. Dany Kälin diktierte das Duell gegen Patrick Bättig und schien nach einem herrlichen Wurf den Sieg in seiner Tasche zu haben. Doch wurde er von seinem Kontrahenten ausgekontert und geschultert, was eine kalte Dusche war. Im Schwergewicht setzte Sven Neyer von Beginn weg die Akzente und hatte die grösseren Kraftreserven als Noel Hutter. Er war der klar aktivere Akteur und kam nach vier Minuten zu einem 10:1-Punktesieg. Kay Neyer liess sich vom Greco-Spezialisten Dorien Hutter nicht beeindrucken. Er ging entgegen den Erwartungen in Führung, agierte sicher und kam mit einem klassischen Hüfter zu einem Schultersieg. Andreas Burkard trat aus taktischen Gründen im Halbschwergewicht an. Er kam mit seinen wirkungsvollen Beinangriffen gegen den ausgezeichnet eingestellten Konterringer Damian Dietsche nicht durch und biss sich dabei die Zähne aus. Letztlich verlor er trotz aller Bemühungen mit 8:1. Dramatisch verlief das Duell zwischen Lars Neyer und Dominik Laritz, dem wohl schnellsten Schweizer Freistilringer. Laritz ging immer wieder in Führung, doch Neyer schlug zurück und ärgerte damit seinen Kontrahenten. Zeitweise schien der Kampf zwischen diesen beiden Hitzköpfen beinahe zu entgleisen. Am Ende konnte Neyer die mit 14:7-Niederlage im Rahmen halten. Zur Pause stand es 11:9 für Kriessern.
Endspurt missriet
Einsiedeln durfte sich trotz dieses Rückstandes noch Hoffnungen auf den Sieg machen. Der Kampf entwickelte eine Eigendynamik, die anfangs der zweiten Hälfte nicht mehr in Richtung Einsiedeln lief, was Bedenken aufkommen liess. Sascha Schmid, der in der Nationalliga A seinen ersten Einsatz hatte und von einer Verletzung zurückkehrte, lieferte dem Internationalen Fabio Dietsche einen beherzten Kampf, unterlag ihm aber in der sechsten Minute technisch überhöht. Dann gewann auch noch David Loher gegen Michel Schönbächler nach einer packenden Begegnung hauchdünn mit 9:7. Der Sieger hätte ebenso gut Schönbächler heissen können. Damit hatten die Rheintaler für den Endspurt klar die besseren Karten in ihren Händen. Der um ein Gewicht gestiegene Yves Neyer schaffte es, mit einer begeisternden, superstarken Leistung und offensiven Kampfart Tobias Betschart sofort in die Defensive zu zwingen und fleissig zu punkten. Nach der deutlichen 9:0-Führung in der ersten Runde ging er keine Risiken mehr ein. Am Ende lag er mit 12:0 vorne. Adrian Mazan wurde nach einem missglückten Grecokampf wieder im freien Stil eingesetzt. Er hielt dem Olympia-Kandidaten Marc Dietsche tapfer entgegen, konnte damit aber die 9:0 Niederlage nicht verhindern. David Hungerbühler, der nach einer Verletzung sein Comeback gab, machte zum Abschluss keine Geschenke. Er konnte Jan Neyer mit 12:2 deutlich in Schach halten und damit den Gesamtsieg von Kriessern erhöhen.
Der Schlüssel, der für die Gastmannschaft die Türe zum Erfolg öffnete, war die grössere Ausgeglichenheit in den neun Gewichten. Die Einsiedler haben wohl die nötige Leidenschaft mitgebracht und Kampfbereitschaft signalisiert. «Obschon die Ringer teilweise an die Schmerzgrenzen gegangen sind, hat es leider nicht gereicht», bilanzierte Einsiedelns Trainer Urs Bürgler. Als es eng wurde, gelang es den Rheintalern, die letzten Reserven vor dem eigenen Publikum anzuzapfen. Deshalb gab es für das Team zuletzt eine Ehrenmeldung. Trotz der Niederlage hat Einsiedelns Mannschaft Charakter gezeigt. Es war unheimlich spannend, bei vielen Zuschauern dürfte das Herz fast in die Hose gerutscht sein. Das ist es eben, was einen guten Krimi ausmacht.
Fünf Brüder
Fünf Brüder, die zusammen in im gleichen Team kämpfen, sind wohl nicht alltäglich. Kay, Lars, Jan, Yves und Sven Neyer tun es bei der Ringerriege Einsiedeln sehr erfolgreich. Gegen Kriessern standen sie erstmals gemeinsam im Team. Die Brüder aus Trachslau sind zweifellos eine Ausnahmeerscheinung. Fünf Brüder, die wie sie bei der Ringerriege Einsiedeln in derselben Mannschaft sind, das dürfte schweizweit nicht allzu häufig anzutreffen sein. Dabei werden alle in verschiedenen Gewichten eingesetzt. Da ihr Vater René Neyer ein erfolgreicher Freistilringer mit zwei Olympiateilnahmen war, rückte bei ihnen die Ringermatte schnell einmal ins Zentrum des Lebens. Das sie jetzt im gleichen Team in der höchsten Liga kämpfen, ist wie ein Traum.
Resultatübersicht
57 kg: Patrick Bättig – Dany Kälin 4:0
61 kg: Dorien Hutter – Kay Neyer 0:4
65 kg: Dominik Laritz – Lars Neyer 3:1
70 kg: David Loher – Michel Schönbächler 2:1
75 kg: Marc Dietsche – Adrian Mazan 3:0
75 kg: David Hungerbühler – Lars Neyer 3:1
80 kg: Tobias Betschart – Sven Neyer 0:3
86 kg: Fabio Dietsche – Sascha Schmid 4:0
97 kg: Damian Dietsche – Andreas Burkard 3:1
130 kg: Noel Hutter – Sven Neyer 1:3
Kriessern – Einsiedeln 23:14
Willisau – Freiamt 19:14
Tabelle:
1. Willisau 6 P., 2. Freiamt 4 P., 3. Kriessern 2 P., 4. Einsiedeln
Wieder gegen Kriessern
Wegen der aus bekannten Gründen verkürzten Mannschaftsmeisterschaft kommt es zu Beginn der Rückrunde erneut zum Duell zwischen Einsiedeln und Kriessern. Bei Einsiedeln ist man sich einig, dass sich die Truppe für die Niederlage revanchieren will. Kriessern kann mit viel Selbstvertrauen in diese Begegnung gehen. Weil die Teams beide Punkte mitnehmen wollen, dürfte es zu einer spannenden Begegnung kommen. Mehr Einzelheiten sind der Freitagsausgabe zu entnehmen.
Werner Schönbächler