«Verrückt» – Einsiedler Ringer stehen im Final, Einsiedeln – Kriessern 17:16

Die Ringerriege Einsiedeln gewann den Halbfinal gegen Kriessern nach einem wahren Krimi 17:16 und schaffte damit den Ausgleich (33:33).  Dank mehr Einzelsiegen ging sie als Sieger hervor.  

W.S. Fantastisch, das waren magische Momente. Die Symbiose zwischen Publikum und Mannschaft kann man nicht erzwingen, sie passiert einfach. Und am Samstagabend ist sie passiert. Es war ein Ringerfest. Trainer Urs Bürgler blickte mit einem Lächeln auf den zweiten Playoff-Halbfinal, den die Ringerriege Einsiedeln in einer überschwänglichen Atmosphäre gewann. Sie bewies, dass sie zu ganz Besonderem fähig ist. Trotz der Hypothek von einem Punkt aus dem Hinkampf, kegelte sie Kriessern in diesem Thriller raus. Die Einheimischen wuchsen vor fast 700 begeisterten Zuschauer regelrecht über sich hinaus und ziehen damit erstmals seit der Einführung der Playoffs 2001 in den Final ein. Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass sie das nötige Quäntchen Glück auf ihrer Seite hatten und der Sieger ebenso gut Kriessern hätte heissen können. Doch der Konjunktiv hat im Sport eben nichts verloren.  

Einsiedeln in Rücklage

Die Kämpfe hatten viel Spannung zu bieten. Zum Auftakt hätte man erwartet, dass Freistiler Stone Perlungher gegen den Greco-Spezialisten Levin Meier einen schweren Stand haben dürfte. Doch er stellte sich ausgezeichnet auf seinen Kontrahenten ein, ging sogar in Führung und verlor nach turbulenten Szenen erst in der Schlussphase mit 10:9, holte aber einen wertvollen Mannschaftspunkt. Sven Neyer ging gegen den ungemein gefährlichen Damian Dietsche auf die Matte. Er wurde gleich zu Beginn mit einem Armzug (4:0) erwischt und musste gegen den unberechenbaren Rheintaler höllisch  auf der Hut sein.  Es gelang ihm, den Rückstand mit kleinen Wertungen wettzumachen und sich letztlich hauchdünn mit 7:6 durchzusetzen. River Perlungher traf bis 61 kg, Freistil, auf Dominik Lartiz, der auch im Mixed Martial Arts (MMA) erfolgreich unterwegs ist. Der Gastringer setzte bald einmal die Akzente, kam mit guten Griffkombinationen immer wieder durch und führte bei Halbzeit mit 4:0. Perlungher musste auch danach unten durch, konnte aber bei der 14:0-Niederlage die Höchststrafe gerade noch vermeiden. Damian von Euw und Ramon Betschart lieferten sich einmal mehr ein Duell auf Augenhöhe. Nach der ersten  Runde lag von Euw mit 1:0 im Hintertreffen, doch konnte er ausgleichen und mit 4:1 gewinnen. Jan Neyer wehrte sich gegen das bulgarische Greco-Ass Dimitar Sandov mit allen Mitteln, es gelang ihm die Niederlage mit 12:0 in Grenzen halten. Damit lag Einsiedeln zur Pause 5:10 zurück, was sich für den weiteren Verlauf als schwere Hypothek erwies. Wohl nur noch die kühnsten Optimisten rechneten mit einem Sieg.   

Einsiedelns optimaler Lauf

Welche Kräfte die Einsiedler nicht zuletzt dank der Unterstützung des Heimpublikums freizusetzen vermochten, zeigte Andreas Burkard gegen Robin Zwick. In einem von der Taktik geprägten Duell ging er vorsichtig ans Werk und führte nach drei Minuten mit 1:0. Sein Kontrahent  bot ihm kräftig Stirn, doch wusste er die Konterversuche im Keime zu ersticken. Bei seinem 5:0-Sieg liess er seinem gefährlichen Gegner keine Wertung zu.  Das Aufeinandertreffen zwischen den beiden Freistilern Kay Neyer und Sandro Hungerbühler bis 70 Kilogramm verlief über weite Strecken spannend.  Neyer kämpfte konzentriert, konterte in der zweiten Hälfte mit wirkungsvollen Beinangriffen geschickt und blieb mit 10:3 siegreich. Dank dieses Erfolges gab es drei wichtige Zähler zum Gleichstand von 11:11. Doch deswegen war noch lange nichts unter Dach und Fach. Ganz im Gegenteil: Das Kribbeln blieb aufrecht. Der Freiburger Matthias Käser in Einsiedler Diensten traf auf den ukrainischen Klasseringer Artemi Utochkin. Er gab alles, liess sich aber durch einen Hüfter erwischen. Beim Stand von 11:15 war vor den beiden letzten Kämpfen Hochspannung angesagt. Jan Walker und Dorien Hutter, die sich in dieser Saison zwei enge Duelle lieferten, waren einer grossen Belastung ausgesetzt. Vor einer Woche musste Walker eine knappe 5:3-Niederlage hinnehmen. Diesmal schlug das Pendel auf seine Seite. Er kämpfte hochkonzentriet, ging in diesem verbissen geführten Duell mit 1:0 in Führung, die er nicht mehr preisgab und mit 3:1 als Sieger ausgerufen wurde. Das war eine schöne Revanche zum exakt richtigen Zeitpunkt.   Beim letzten Duell zwischen Pavel Untila und Michel Steger mussten beim Stande von 13:16 die Würfel fallen. Rein rechnerisch konnten Einsiedeln Kriessern noch überholen, doch dafür musste das Punktemaximum her, während Kriessern nur noch einen Zähler für die Krönung brauchte. Eine äusserst delikate Aufgabe für beide Seiten.  Der Einsiedler gab den Ton an und sammelte  gegen seinen defensiv ausgezeichnet agierenden Gegner mit seiner Beinarbeit fleissig Punkte. 27 Sekunden vor Schluss holte er mit einer Zweierwertung das 15:0 und damit den 17:16-Sieg für Einsiedeln. «Obschon mir bewusst war, dass ich vier Mannschaftspunkte holen musste, versuchte ich alles auszublenden, viele Gedanken machte ich mir nicht mehr und gab einfach alles», sagte der Matchwinner. Beim Gesamtstand von 33:33 hatte Einsiedeln mit elf Einzelsiegen gegenüber Kriessern mit neun den Finaleinzug geschafft. Das sorgte für Schreie aus den fast 700 Kehlen. Die meisten aus Freude. Aber manche auch nicht. Wer Kriessern im Herzen trug, der brüllte aus Schmerz.   Anschliessend lagen sich die Einsiedeln Ringer und das Betreuerteam in den Armen und liessen sich von den Fans feiern. Mit dem Erreichen des Finals haben sie einen Meilenstein geschafft. Das letzte Ringer-Finale verlor Einsiedeln 1989 gegen Kriessern mit lediglich einem Punkt Unterschied. Vier Jahre früher holte Einsiedeln die Silbermedaille, doch stand Kriessern frühzeitig als Meister fest.

«Ich ziehe alle Hüte vor meinen Ringern, niemals hätte ich mit einem solchen Sieg gerechnet. Sie haben nie aufgegeben», freute sich Trainer Urs Bürgler zurecht. Bei einem solchen Erfolg muss vieles zusammenpassen. Kriesserns Ringer und Zuschauer zeigten sich nach diesem emotionalen Fight als faire Verlierer und mochten den Einsiedlern den Erfolg gönnen. Der Fight war an der Grenze der Belastbarkeit für Trainer, Ringer und Publikum. Was sich in diesem Zermürbungskampf abspielte, glich mehr einem Thriller denn einem Roman, der erst im letzten Duell und in den letzten Sekunden entschieden wurde.

In Rothenthurm gegen Willisau

Die Einsiedler Ringer und das Publikum haben sich mit diesem Rückkampf auf den ersten Finalkampf eingestimmt. Trotz der Begeisterung über diesen Sieg darf die Mannschaft nicht zu euphorisch werden. Es ist wichtig, möglichst wenig an die Ringer heranzulassen und sich gut vorzubereiten. Das Ringer-Fieber ist in Einsiedeln endgültig ausgebrochen. Das Feeling in einer vollen Halle ringen zu können, ist natürlich toll. Da die Sporthalle Brüel für Anlässe von über 1’000 Zuschauern zu klein ist, haben sich die Verantwortlichen entschieden, nach Rothenthurm auszuweichen, wo alle Sicherheitsvorgaben erfüllt werden können. Sportlich kann Einsiedeln den Final locker nehmen. Das Team hat überhaupt nichts zu verlieren.  Die Begegnung findet am nächsten Samstagabend in der Mehrzweckhalle mit Beginn um 19 Uhr statt. Das öffentliche Wiegen wird bereits eine Stunde vorher durchgeführt.   

Resultatübersicht:

57 kg (G):        Stone Perlungher – Levin Meier 1:2

61 kg (F):         River Perlungher – Dominik Laritz 0:3

65 kg (G):        Jan Neyer – Dimitar Sandov 0:3

70 kg (F):         Kay Neyer – Sandro Hungerbühler 3:1

75 kg (G):        Jan Walker – Dorien Hutter 2:1

75 kg (F):         Pavel Untila – Michel Steger 4:0

80 kg (G):        Matthias Käser – Artemi Utochkin 0:4

86 kg (F):         Andreas Burkard – Robin Zwick 3:1

97 kg (G):        Damian von Euw – Ramon Betschart 2:1

130 kg (F):       Sven Neyer – Damian Dietsche 2:1

Einsiedeln – Kriessern 17:16 (Gesamtstand 33:33), Einzelsiege: Einsiedeln 11, Kriessern 9

Willisau – Freiamt 16:17 (Gesamtstand 33:32

1./2. Platz: Einsiedeln – Willisau

3./4. Platz: Kriessern – Freiamt

Werner Schönbächler