Adrian Mazan, der Ringer mit dem Doktortitel

Der Pole Adrian Mazan steht seit dieser Saison für die Ringerriege Einsiedeln im Einsatz. Beruflich wirkt er seit 2016 an Merian Iselin Klinik in Basel als Chirurg.

W.S. Seine Fachkenntnisse als Orthopäde sind für Adrian Mazan im Sport immer ideal. Ringen ist nämlich ein körperlich sehr intensiver Sport. Dass er im Bedarfsfall Sportler auf der Matte betreuen kann, hat er im Match gegen Willisau bewiesen, als er dem Gastringer Roger Heinrich die ausgekugelte Schulter professionell einrenkte. Der mittlerweile 35-jährige, ehemalige Weltklasseringer wechselte nach Ende seine Arztstudiums bald einmal nach Deutschland und schloss sich dem Spitzenklub SV Germania Weingarten an. Mit seinem einzigartigen Kampfstil, seinem unbändigen Siegeswillen und seiner grosser Leidenschaft, die den mehrfachen polnischen Meister und Internationalen auszeichnen, verschaffte er sich bald einmal grossen Respekt in der wohl besten Liga der Welt. Der Freistilspezialist, der am Boden zu seinen Glanzzeiten als einer der besten «Schraubkünstler» galt, wurde bald einmal als Publikumsliebling gefeiert. So gewann er während einer Saison all seine Kämpfe. Um den ausserordentlichen Stellenwert des Ringens in Deutschland zu illustrieren, bedient er sich dieses Beispiels. «Bei einem gewöhnlichen Match war die Halle mit 3’000 Zuschauern fast immer ausverkauft.» Weil es ihm aus beruflichen Gründen nicht mehr möglich war, ständig das Gewicht abzutrainieren, ging er nach Adelshausen in die zweite Bundesliga. Anschliessend wechselte er mit Erfolg in den Trainerbereich, ehe er vor drei Jahren aus beruflichen Gründen in die Schweiz umzog. «Durch Afis Dzavadov, der die Junioren in Einsiedeln trainiert, und Urs Bürgler, die zu mir Kontakte geknüpft haben, kam der Transfer nach Einsiedeln zustande.»

Gutes Niveau

Für den ehemaligen WM-Fünften und Dritten der WM-Universade war es eine grosse Herausforderung nach vierjährigem Unterbruch ohne Wettkämpfe wieder auf die Matte zurückzukehren. «Ich trainierte zwar regelmässig im benachbarten Deutschland in der Oberliga und hielt mich körperlich fit.» Nach seiner Zusage gab es für ihn nur noch eines: Neben seiner Arbeit als Arzt effizient trainieren, um bereit zu sein. «Ich sagte mir, dass man immer Zweifel zulassen und sich selber hinterfragen muss. Aber man darf nicht in Panik verfallen. So habe ich mein Zeitmanagement hinterfragt und ein eigenes gestrafftes Programm zusammengestellt. «Schon beim ersten Duell, das er gegen Schweizermeister Manuel Jakob hauchdünn verlor, liess er seine Klasse phasenweise aufblitzen», sagt Urs Bürgler. Mittlerweile verfügt er wieder über etwas mehr Wettkampfpraxis und ist für das Team Gold wert. «Gegen ihn muss jeder Gegner immer den stärksten Ringer einsetzen, was uns bei der Aufstellung mehr Möglichkeiten zulässt», so Bürgler. «Ich bin positiv überrascht vom Niveau des Schweizer Ringsports. Die Athleten sind kräftig und ausdauernd», erklärt Mazan. Doch im Gegensatz zu grossen Ringernationen, wie beispielsweise Russland, müssen sie nach Feierabend trainieren und haben so viel zu wenig Erholungszeit. Den Abstecher nach Einsiedeln hat er nicht bereut. «Urs Bürgler ist ein absoluter Fachmann, der Zusammenhalt im Team ist gross», lobt Mazan den ehemaligen Spitzenringer.

Nicht vorbelastet

Wenn man mit ihm übers Ringen spricht, kommt der sonst so ruhige Adrian Mazan so richtig in Fahrt. «In Polen sind erfolgreiche Ringer bekannte Stars der Sportszene.» Als Knabe hat er zusammen mit seinem Bruder mit Ringen begonnen. Dabei sind seine Eltern ganz und gar nicht dem Kampfsport verfallen. Sein Vater war Radrennfahrer und seine Mutter widmete sich mit Erfolg der Leichtathletik. Was macht eigentlich die Faszination fürs Ringen bei Adrian aus? Er erklärt es so: «Einerseits betrachte ich es als guten Ausgleich zum oft stressigen Alltag. Andererseits gefällt mir die Vielseitigkeit. Ringen vereint Kraft, Beweglichkeit, Ausdauer und Technik in einem.»

Wie hat er es geschafft, Studium und Spitzensport unter einen Hut zu bringen? «Ich habe viel gelernt, gelesen, Arbeiten verfasst und trainiert.» Adrian Mazan darf zu Recht stolz auf das Erreichte sein.

Soll noch einer sagen, dass Zweikampfsportler keine Grips haben. So haben auch die Boxer Witali und sein jüngerer Bruder Wladimir Klitschko Doktortitel erworben. Gerade entgegen der Meinung vieler Intelektueller scheint ihre geistige Schlagkraft unter den vielen Haken seiner Gegner nicht gelitten zu haben. Sie haben neben vielen Muckis auch Grips. Im Schwingen brachte es der zweifache Schwingerkönig Ernst Schläpfer zu Doktorwürden.

Diese Beispiele zeigen, dass auch Kampfsportler einen akademischen Ausbildungsgrad abschliessen können.

 

Werner Schönbächler